Mit der Inbetriebnahme der weltweit ersten kabellos geladenen elektrischen Buslinie in einer Hauptstadt wird in Berlin ein Meilenstein in der Entwicklung der Elektromobilität erreicht. Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) setzen ab heute vier elektrische Busse vom Typ Solaris Urbino 12 electric mit dem induktiven PRIMOVE Ladesystem von Bombardier und Traktionsausrüstung von Vossloh Kiepe ein und positionieren sich so als Vorreiter in der urbanen Mobilität. Zudem verbessert die neue E-Buslinie die Umweltbilanz der Stadt erheblich. Gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur.
BVG-Buslinie 204 ab sofort „unter Strom“
Foto: Marcel
Manhart
Gut zwei Drittel der Fahrgäste fahren bei der BVG schon jetzt elektrisch – mit U- oder Straßenbahnen und seit vergangenem Jahr mit den vier Solarfähren. Seit dem heutigen Montag, den 31. August 2015, testet Deutschlands größtes Nahverkehrsunternehmen nun auch bei Bussen die Elektromobilität. Die Linie 204 zwischen Südkreuz und Zoologischer Garten (Hertzallee) wird ab sofort ausschließlich mit Solaris-Elektrobussen bedient. Dank des Elektroantriebs von Vossloh Kiepe sind diese Fahrzeuge nicht nur abgasfrei, sondern auch besonders vibrationsarm und leise. Das Besondere am Berliner E-Bus-Projekt: Die Busse werden kabel- und kontaktlos geladen – ähnlich wie die elektrische Zahnbürste daheim, aber mit viel höherer Kapazität und Leistung. An den Endhaltestellen kommt hierfür jeweils für wenige Minuten die induktive PRIMOVE Technologie von Bombardier zum Einsatz.
Rainer Bomba, Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, erklärte: „Das Bundesverkehrsministerium fördert das Projekt mit insgesamt rund 4,1 Millionen Euro. Mit Projekten wie diesen wollen wir die Elektromobilität im ÖPNV vorantreiben. Die kabellose Ladetechnik, die ab heute auch auf der Linie 204 eingesetzt wird, sorgt für emissions- und geräuscharmes Fahren. Davon profitieren Anwohner und Verkehrsbeteiligte gleichermaßen.“
Zusammen mit Andreas Geisel, Senator für Stadtentwicklung und Umwelt, und Cornelia Yzer, Senatorin für Wirtschaft, Technologie und Forschung, schickte Staatssekretär Bomba am Mittag den ersten E-Bus von der Ladestation am Südkreuz in den Linienbetrieb. Anschließend wurden die Dieselbusse nach und nach abgelöst und die Linie 204 komplett elektrifiziert.
„Ich freue mich, dass die Elektrobusse und die induktiven Ladeeinrichtungen heute den Linienbetrieb aufnehmen. Elektrobusse auf Berlins Straßen sind Teil eines ganzen Bündels von Maßnahmen, um dieser umweltfreundlichen Technologie zum Durchbruch zu verhelfen. Um den größtmöglichen Nutzen aus diesem Praxiseinsatz zu ziehen habe ich der BVG auch zugesagt, die Co-Finanzierung des Projekts ab Mitte 2016 im Anschluss an die Bundesförderung bis 2023 zu unterstützen“, sagte Senator Geisel.
Senatorin Yzer: „Berlin startet als weltweit erste Hauptstadt eine komplette Innenstadtlinie mit kabellos geladenen E-Bussen. Damit dokumentieren wir unseren Anspruch als Smart City und als Referenzort für die Umsetzung der Energiewende. In der deutschen Hauptstadt können wir in überschaubaren Strukturen Pilotentwicklungen erproben und für weltweite Anwendungen vorbereiten. Neben dem ‚Made in Berlin‘ gilt auch ‚Tested in Berlin‘ als Gütesiegel.“
Auf der 6,1 Kilometer langen Strecke durch die Innenstadt bieten sich den Berlinerinnen und Berlinern jetzt 18 Gelegenheiten, zuzusteigen und sich vom ruhigen und ruckfreien Fahrgefühl in den neuen Bussen zu überzeugen. Auf einer Live-Karte unter http://e-bus.berlin können sich Fahrgäste mit ihrem Smartphone über das Projekt informieren und jederzeit nachsehen, wo die E-Busse aktuell unterwegs sind. Mögliche Befürchtungen, bei stockendem Verkehr oder Stau könnte den Fahrzeugen unterwegs der Strom ausgehen, sind übrigens ebenso unbegründet wie Bedenken gegenüber der Ladetechnologie: Das PRIMOVE Batteriesystem mit einer Gesamtkapazität von 90 Kilowattstunden bietet auch im anspruchsvollen Berliner Innenstadtverkehr stets genügend Energiereserven. Und das kabellose Ladesystem ist derart gut abgeschirmt, dass die elektromagnetische Strahlung geringer ist als bei einem herkömmlichen Induktionsherd. Für eine vollständige Aufladung der Batterien über Nacht und die Konditionierung des Fahrgastraums vor Betriebsbeginn wurden von Vossloh Kiepe zudem vier stationäre und eine mobile Ladestation auf dem BVG-Betriebshof installiert. An diesen werden die Busse über Ladekabel mit Strom versorgt.
Wie alle elektrisch betriebenen Fahrzeuge der BVG werden auch die neuen Solaris Urbino 12 electric ausschließlich mit Grünstrom betrieben. Die Umwelt freut’s: Im Laufe eines Jahres werden die vier Elektrobusse auf der Linie 204 bei insgesamt rund 200.000 gefahrenen Kilometern für eine Einsparung von 260 Tonnen CO2-Emissionen sorgen. Für denselben Effekt müssten rund 250 private PKW durch Elektroautos ersetzt werden. Und auch die Lärmbelastung für die Anwohner sinkt, denn die Geräuschentwicklung der E-Busse liegt lediglich auf dem Niveau eines durchschnittlichen PKW. Damit der Fahrer im Zweifelsfall die Anfahrt an eine Haltestelle ankündigen kann, wurde vorsichtshalber ein Außenlautsprecher eingebaut.
Im Pilotprojekt „E-Bus Berlin“ werden wichtige Alltagserfahrungen mit dem Betrieb von Batteriebussen in der Hauptstadt gesammelt. Die wissenschaftliche Begleitforschung liefert das Fachgebiet Methoden der Produktentwicklung und Mechatronik der TU Berlin, das im Vorfeld notwendige Ladezeiten und Kapazitäten der Batterien bestimmt hat und nun eine technisch-wirtschaftliche Gesamtbewertung des Projekts durchführt. Die Betriebsphase der E-Buslinie 204 im Rahmen des „Internationalen Schaufensters Elektromobilität Berlin-Brandenburg“ läuft bis Herbst 2016.
Stimmen zum Projekt
Dr. Sigrid Evelyn Nikutta, Vorsitzende des Vorstands/Vorstand Betrieb, Berliner Verkehrsbetriebe (BVG):
„Die BVG betreibt 151 Buslinien mit insgesamt 6.500 Haltestellen. Mehr als 400 Millionen Fahrgäste sind allein im vergangenen Jahr mit unseren 1.300 Bussen an ihr Ziel gekommen. Dass wir jetzt mit vier E-Bussen zunächst die Linie 204 auf Elektromobilität umstellen, ist ein grundlegender Schritt in Richtung eines grüneren Berliner Busverkehrs. Denn bevor eine so große Flotte wie die der BVG komplett auf E-Fahrzeuge umgestellt werden kann, sind langfristige Tests unter Alltagsbedingungen notwendig. Diese beginnen nun zwischen den Bahnhöfen Südkreuz und Zoologischer Garten. Und wir sind froh, für dieses wichtige Pilotprojekt so leistungsfähige Partner aus Politik, Wirtschaft und Forschung gefunden zu haben.“
Dr. Lutz Bertling, Präsident und Chief Operating Officer, Bombardier Transportation:
„Das PRIMOVE System eröffnet ganz neue Möglichkeiten für elektrische Busse. Es bietet ein kabelloses Ladesystem, welches einfach zu integrieren und komfortabel in der Nutzung ist. Zusammen mit der PRIMOVE Hochleistungsbatterie verwandelt es normale Haltestellen in induktive Ladestationen – es bedarf weder zusätzlicher Fahrzeuge noch verlängern sich die Haltezeiten. Nach Braunschweig und Mannheim, wo der Betrieb mit PRIMOVE E-Bussen bereits erfolgreich läuft, ist Berlin die weltweit erste Hauptstadt, die auf unsere smarte Technologie setzt. Die Grundidee bei der Entwicklung von PRIMOVE war es, Elektromobilität bequem und alltagstauglich zu machen. Und das nicht nur für Elektrobusse, sondern für sämtliche elektrische Schienen- und Straßenfahrzeuge.“
Dr. Andreas Strecker, Vorstandsvorsitzender, Solaris Bus & Coach S.A.:
„Ich freue mich sehr, dass wir die Testfahrten erfolgreich über die Bühne gebracht haben. Gemeinsam mit unseren hervorragenden Partnern werden wir jetzt dafür sorgen, dass die Elektrobusse auch im Passagierbetrieb ihre Stärken zeigen. Ab heute können sich die Berlin-Einwohner von den unbestrittenen Vorteilen der Solaris-Batteriebusse im Linienbetrieb überzeugen. Es beginnt der spannendste Teil des Projekts, weil die Busse jetzt ihre Rolle erfüllen können, indem sie leise, sauber und fließend Fahrgäste durch die Hauptstadt Deutschlands befördern. Solaris versteht sich als Impulsgeber und Vorreiter in Sachen Einführung und Verbreitung der Elektromobilität bei Stadtbussen. Die heutige Inbetriebnahme von vier elektrisch betriebenen und induktiv geladenen Batteriebussen in Berlin ist ein wahrer Meilenstein in diesem Prozess.“
Prof. Dr. Christian Thomsen, Präsident, TU Berlin:
„Dieser Leuchtturm der Berliner Elektromobilität wäre ohne die erfolgreiche Kooperation von Bund, Land, Verkehrsunternehmen, Industrie und Wissenschaft nicht möglich gewesen. Bereits im Frühjahr 2011 führte Prof. Dr. Dietmar Göhlich erste Gespräche mit der BVG zur Elektrifizierung des Busverkehrs. Damals stand zunächst die prinzipielle Machbarkeit im Vordergrund und wir entwickelten ein Modell zur Erstellung von Betriebskonzepten für elektrifizierte Buslinien. Im Rahmen der weiteren Forschungsarbeiten der TU Berlin haben wir die Ladestation an der Hertzallee errichtet und jetzt wird eine umfassende technisch-wirtschaftliche Gesamtbewertung durchgeführt. Aber wir schauen auch schon in die Zukunft. Auf der Grundlage der Projekterfahrungen werden Zukunftsszenarien für die weitere Elektrifizierung des Busverkehrs entwickelt, und im Forschungscampus Mobility2Grid beschäftigen wir uns mit der Integration der E-Busse in ein sogenanntes Smart Grid.“
Erik Lenz, Vertriebsleiter Bus & E-Mobility Systems, Vossloh Kiepe GmbH:
„Seit 65 Jahren stellt Kiepe Antriebsausrüstungen für verschiedenste Arten von Elektrobussen her und hat somit bereits viel Erfahrung mit Elektromobilität sammeln können. Wir sind stolz, dass wir bei diesem innovativen Projekt mit der BVG beteiligt sein dürfen, welches unseren Slogan ‚Kiepe: Future meets experience‘ unterstreicht. Vossloh Kiepe hat zusammen mit Solaris bereits viele Arten von Elektrobussen realisiert, u. a. Elektrobusse mit Gelegenheitsnachladung, mit Übernachtladung, mit Brennstoffzellen Range Extender und mit In-Motion-Charging, bei dem die Batterien während der Fahrt an Oberleitungen nachgeladen werden. Wir sind gespannt auf den Betrieb des Bussystems und auf die Erkenntnisse, die wir zusammen daraus gewinnen werden. Und wir freuen uns auf den weiteren Austausch von Ideen mit unserem langjährigen Kunden BVG um die Berliner bei dem Erreichen ihrer Umweltziele zu unterstützen.“
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